Kommentar: Die Pendler bleiben auf der Strecke

Von Christian Krügel

Die stärkste Wirtschaftsregion der Republik ist auch Stauregion Nummer eins. Natürlich hängt das zusammen: Wirtschaftliche Prosperität bedeutet mehr Arbeitsplätze, das heißt mehr Menschen, mehr Mobilität, mehr Verkehr - mehr Stau. Es ist aber nicht nur der Fluch des Erfolgs, der die Pendler in der Boomregion verzweifeln lässt. Die Verkehrs- und Wirtschaftspolitik in Stadt und Umland war in den vergangenen Jahrzehnten auch nie dazu angetan, die Probleme der Pendler dauerhaft zu lösen. Der öffentliche Nahverkehr ist innerhalb der Stadt noch leistungsfähig, versagt aber, wenn Menschen weite Strecken quer durch Umland und München zurücklegen müssen. Klar: Es fehlt die zweite Stammstrecke, die helfen würde. Es fehlen aber auch Ideen, wie man öffentlichen Verkehr um die Innenstadt herumleiten könnte. Es gibt keine schnellen Ringlinien auf der Schiene, die Idee einer Stadtumlandbahn wurde von Gemeinden und Stadt nie weiterverfolgt.

Kräftig gebaut wurde dagegen am Autobahnnetz. Mit Erfolg: Die neuen Straßen verlockten noch mehr Pendler, das Auto zu nutzen. Nach Fertigstellung der A99 im Westen stieg der Autoverkehr in Gräfelfing um 12 Prozent, am Allacher Tunnel um 14 Prozent.

Stau wird dauerhaft deshalb nur vermieden, wenn das Pendeln über weite Strecken nicht mehr in dem Maße nötig ist wie heute. Gut bezahlte Jobs in der Stadt, günstiger Wohnraum nur im weiteren Umland - dieser Dualismus macht Stau zum Dauerproblem. München muss daher seine Immobilienpreise in den Griff bekommen. Und die Gemeinden in der Region müssen endlich anfangen, eine abgestimmte Gewerbepolitik hinzubekommen, die nachhaltig Arbeitsplätze schafft. Der Grundsatz: 'Jedem Ort sein Gewerbegebiet und sein Discounter' ist zu wenig.

(SZ vom 02.07.2011)