Kommentar: Bittsteller aus der Boom-Region

Von Peter Bierl

Die Bürgermeister an der S4 kämpfen seit vielen Jahren für die Pendler. Dafür muss man sie loben, auch wenn sie wenig erreicht haben. Im Gegenteil: Mit dem Status der Flughafen-S-Bahn verlor die Linie im Dezember 2009 sogar noch Langzüge, die im Berufsverkehr nach München eingesetzt wurden. Der FDP-Verkehrsminister Martin Zeil und seine Vorgänger aus den Reihen der CSU haben bislang nichts geliefert außer leeren Versprechungen. Hochmut kommt vor den Fall, könnte man meinen, wenn Unterhändler aus dem Hochtechnologie-Standort Bayern im Ruhrpott um gebrauchte Züge für die S4 bitten, weil man dort nach acht Betriebsjahren modernere Modelle einsetzen möchte.

Aber es geht um mehr als um Dünkelhaftigkeit und Parteipropaganda. Wenn in der Boom-Region München die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs verkommt, zeigt das, dass Politiker nicht tun, was Umwelt- und Klimaschutz erfordern: den flächendeckenden massiven Ausbau von Schiene und Bus zu Lasten des Autos, verbunden mit günstigen Tarifen - vielleicht machen weitere Erfolge der Piratenpartei die Forderung nach einem Nulltarif populär. Es ist auch an der Zeit, sich von milliardenschweren Mega-Projekten von zweifelhaftem Nutzen, wie dem zweiten S-Bahn-Tunnel in München, zu verabschieden. Inzwischen begreifen selbst Kommunalpolitiker aus CSU und SPD, dass es sich um eine Chimäre handelt, der konkrete Verbesserungen für die Pendler geopfert werden.

Der zähe Einsatz der Bürgermeister hat zu diesem Erkenntnisgewinn beigetragen. Realistisch ist ihre Einschätzung, dass die vier Langzüge, die Zeil angekündigt hat, ziemlich poplig sind, während das Parteien-Bündnis 'S-4-Ausbau jetzt!' meint, das als kleinen Erfolg ihrer Existenz werten zu müssen. Um echte Verbesserungen durchzusetzen, müssten sich die Bürger jedoch selbst engagieren.

(SZ vom 28.09.2011)