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BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN

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Mobilität neu denken!

Interview mit Toni Hofreiter, MdB BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, Verkehrspolitischer Sprecher

(Grüne Seiten September 2009)

Toni, Du bist nun seit September 2005 Mitglied im deutschen Bundestag und sitzt im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zu Deinen politischen Schwerpunkten gehören der Naturschutz, die Vereinbarung von Ökonomie und Ökologie, die solidarische Gestaltung der Globalisierung und die Verkehrspolitik. Ist es Dir während dieser Legislaturperiode gelungen, Teile Deiner Ziele und Erwartungen in real-politische Maßnahmen (Gesetze) umzusetzen?

  Da wir ja der Opposition angehören, war es uns leider nicht möglich, unsere Ideen und Vorschläge in Gesetze umzusetzen. Allerdings können wir auch einige Erfolge verzeichnen: So haben wir dazu beigetragen, die Bahnprivatisierung zu verhindern und den Anstoß gegeben zur Aufklärung von Veruntreuung von Steuergeldern im Zusammenhang mit der Autobahnprivatisierung. Eine weiterer Fortschritt ist die zunehmende Akzeptanz Grüner Ideen und Wertvorstellungen quer durch alle Gesellschaftsbereiche, sowie die allgemein anerkannte Erkenntnis um die Wichtigkeit der Bekämpfung des Klimawandels.

  Grafrath und Kottgeisering sind weit außerhalb von München angesiedelt und daher stark auf das S-Bahn- und Busnetz angewiesen. Hältst Du die derzeitige ÖPNV-Politik für ausreichend, um dem Auto in Zukunft eine ernsthafte Konkurrenz zu bieten? Und in wie weit siehst Du nun die Kommunen, das Land und die Staatsregierung gefordert, Verbesserungen wie den Ausbau des 10-Minuten-Takts, Fahrpreiskürzung oder den Ausbau des Schienennetzes herbeizuführen?

  Ganz offensichtlich ist der ÖPNV nicht ausreichend. Es fehlt unter anderem an einem kundenfreundlichen Takt und an Zuverlässigkeit. Auch die hohen Preise sind nicht gerade motivierend, um Kunden an sich binden zu können. Der Bund gibt jedes Jahr rund eine Milliarde Euro an den Freistaat für Neuinvestitionen und Instandhaltungskosten und doch scheinen diese Mittel bis heute nicht beim Kunden anzukommen. Hier muss die Bundesregierung mehr Druck aufbauen und sicherstellen, dass ihre finanzielle Unterstützung auch dort investiert wird, wo sie am meisten benötigt wird.

  Die Bahn das Rückrat der Zukunft ...

  Trotz kontinuierlich steigender Fahrpreise und eines wachsenden Imageproblems der Bahn sehen BÜNDNIS90/ DIE GRÜNEN weiterhin in ihr das Verkehrssystem der Zukunft. Hältst du dies für realistisch und was müsste dafür nun auf  politischer Seite geschehen um die „Grüne  Zukunft“ zu verwirklichen?

  Ja, das sehe ich ganz genauso. Die Bahn ist ohne jeden Zweifel das Rückrat der Zukunft, auf das wir in einem nachhaltigen Verkehrssystem nicht verzichten können. Allerdings muss der Bund seiner Rolle als 100 %iger Eigentümer gerecht werden und festlegen welchen Kurs die Bahn in Zukunft nehmen soll. Unter anderem fordern wir einen massiven Ausbau der Landesbahn, ein flächendeckendes Angebot bzw. Netz von Anschlussmöglichkeiten und die Reduzierung der Fahrpreise. Es ist jedoch zu betonen, dass selbst unter diesen hochgesteckten Zielen die Bahn ein profitorientiertes Unternehmen sein kann. Schließlich wäre die Konsequenz ein massiver Fahrgastanstieg  und somit eine Vervielfachung der Einnahmen.

  Neben dem Auto stellen die überbilligten Angebote von Fluggesellschaften die größte Konkurrenz zur Bahn dar. Sind diese Preise gerechtfertigt und wie könnte die Mobilität unserer Gesellschaft auch ohne Fliegen gewährleistet werden?

  Natürlich nicht. Die gegenwärtigen Flugpreise sind nur auf Grund von indirekten Subvention überhaupt möglich. Der Flugtreibstoff Kerosin wird bis heute nicht besteuert und schafft somit einen vollkommen  falschen und kontraproduktiven Anreiz zum Fliegen. Das Verkehrssystem der Zukunft kann aus ökologischen und klimapolitischen Gründen nur die Vernetzung von Bahn, Elektroauto und ÖPNV heißen. 

  Abwrackprämie ökologisch und ökonomisch kurzsichtig ...

  Im Zuge der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hat die Bundesregierung die sogenannte Abwrackprämie eingeführt. Die Kosten diese Konjunkturprogramms betragen  5 Milliarden Euro. Wie siehst Du diese Maßnahme aus ökologischen aber auch ökonomischen Gesichtspunkten?

  Diese Konjunkturspritze war aus ökologischer aber auch aus ökonomischer Sicht äußerst kurzsichtig. Einerseits wurde nicht zwischen energiesparsamen Modellen und Schluckspechten unterschieden und somit wieder kein Anreiz für eine zukunftsfähige Automobilwirtschaft geschaffen. Anderseits ist  der ganze Effekt nur vorgezogen und wird den Staat aber auch die Wirtschaft noch teuer zu stehen kommen. Sobald die staatlichen Förderungen auslaufen, hat dies natürlich auch fatale Konsequenzen auf die deutsche Nachfrage nach neuen Autos. Ein Einbruch dieser ist dann wohl unvermeidlich.

Ich möchte jedoch betonen, dass eine  Konjunkturspritze durch den Staat zum damaligen Zeitpunkt wohl unvermeidlich war. Doch hätte man mit diesem Geld genauso gut auch einen nachhaltigen und innovativen Anreiz für unsere Wirtschaft schaffen können, dessen positiver Effekt über diese Wahlperiode hinausgeht.

  Die kommende Bundestagswahl wird entscheidende Auswirkung auf die Verkehrspolitik der kommenden Jahre haben. Wieso siehst Du die Wählerstimme am Besten bei den Grünen aufgehoben?

  Wir GRÜNE stehen für eine Verkehrspolitik für alle. Nicht nur für die, die sich ein Auto leisten können und auch wollen. 50 Prozent unserer Bevölkerung hat keinen uneingeschränkten Zugang zu einem Automobil. Sie fallen somit bei der gegenwärtigen Verkehrpolitik schlichtweg durch. Mobilitätspolitik von heute für morgen bedeutet die Schaffung gleichen Zugangs und Lebensqualität für alle. Junge, Alte, Geringverdienende und Behinderte werden ausgeschlossen und bleiben unberücksichtigt. Wir stehen für eine gerechte und nachhaltige Verteilung unser Gelder, in die Bahn und den ÖPNV. Für eine gesellschaftliche Teilhabe aller Bürger.