Ende der Debatte

Die Beratungen über das Areal sind festgefahren wie nie zuvor. Die Schuld daran schieben sich die widerstreitenden Parteien gegenseitig zu. Wann und wie es weiter geht, weiß keiner

Von Manfred Amann

Grafrath - Der Streit im Grafrather Gemeinderat um die Bebauung des Klosterwirt-Geländes hat einen neuen Kulminationspunkt erreicht. Nach einer halbstündigen, von gegenseitigen Vorwürfen und Unterstellungen gespickten Auseinandersetzung sind am Montag die Beratungen über die Empfehlungen vertagt worden, die der Bauausschuss zuvor in acht Sitzungen erarbeitet hatte. Einige der 70 Grafrather, die zur Sondersitzung gekommen waren, die von Bürgermeister Hartwig Hagenguth (BfG) in Erwartung des großen Bürgerinteresses in die Schulaula verlegt worden war, quittierten die Entscheidung mit Pfiffen und Buh-Rufen. Nach der Sitzung herrschte teils Empörung, teils Verständnis.

'Schämt ihr euch denn nicht', giftete eine Frau in Richtung CSU- und FWE-Politiker. Und ein enttäuschter Besucher kritisierte kopfschüttelnd die Sturheit und Verbohrtheit des Bürgermeisters. Die Vorsitzende der unlängst gegründeten Frauenliste, Andrea Seidl, fand 'wieder einmal bestätigt, dass die Fronten im Gemeinderat so verhärtet sind, dass nichts mehr geht'. Und ihre Stellvertreterin Susana Wiedmann überlegte, ob man 'einen Mediator einsetzen' sollte, um das Projekt Klosterwirt voranzubringen. Der Antrag auf Vertagung war von der CSU-Fraktion gekommen. Sprecher Gerald Kurz erinnerte an den Beschluss im Bauausschuss, wonach die Ergebnisse der Abwägung der 340 Bürgerstellungnahmen, die in acht Sitzungen mit rund 30 Stunden erarbeitet worden waren, erst vom Planungsbüro in den Bebauungsplan eingearbeitet werden sollten, bevor sich der Gemeinderat damit befasst.

Überdies sollte der Architekt Klaus Kehrbaum zur Beratung im Gemeinderat gleichlautende Ergebnisse zusammenfassen, um nicht jede einzelne - oft mit anderen textgleiche - Stellungnahme erneut separat abhandeln zu müssen. Da diese Unterlagen nicht vorlagen, votierten die Gemeinderäte der CSU, der Einigkeit Grafrath (FWE) und Ulrike Kanzler von den Bürgern für Grafrath (BfG) für die Verschiebung der Beratungen. Planer Kehrbaum habe Hagenguth mitgeteilt, die Unterlagen erst am 11. Juni an die Bauverwaltung geben zu können, und darum gebeten, die Beratungen zu verschieben, bis die Unterlagen dort geprüft worden seien, sagte Kurz. Ohne die Zusammenfassungen und die juristisch durchgesehenen Texte sei eine Behandlung nicht möglich, sagte Kurz, weil die Gefahr von Abwägungsfehlern zu groß sei.

Hagenguth indes verteidigte sein Vorgehen mit dem Hinweis, das Bebauungsplanverfahren wie üblich fortsetzen zu wollen. Erst wenn die vom Bauausschuss vorgelegten Ergebnisse vom Gemeinderat abschließend abgearbeitet seien, könne der Plan entsprechend angepasst werden. 'Der Ausschuss ist vorberatend und gibt nur Empfehlungen ab, an die sich der Gemeinderat aber nicht halten muss', sagte Hagenguth. Er beklagte, dass die von Kehrbaum kurzfristig zugesagten Unterlagen seit Monaten nicht geliefert würden. Klaus Dieter Nerlich appellierte an den Gemeinderat, die interessierten Bürger nicht vor den Kopf zu stoßen. 'Wir haben heute die Chance, zu zeigen, dass wir nicht nur ein zerstrittener Haufen sind, der an der Grenze der Handlungsunfähigkeit angelangt ist', sagte Nerlich. 'Natürlich wäre eine Zusammenfassung wünschenswert, aber es geht anhand er Protokolle auch ohne.'

'Wir unter uns sind nicht zerstritten', entgegnete der Zweite Bürgermeister Norbert Stöppel. 'Ich weiß nicht welcher Teufel sie geritten hat, die Sitzung trotz besserem Wissen jetzt anzusetzen', rief er Bürgermeister Hagenguth zu. Er schlage vermutlich bewusst einen Weg ein, 'der zur Konfrontation führen muss'. Stöppel äußerte überdies den Verdacht, dass Hagenguth ganz gezielt immer wieder die Klosterwirt-Planung mit der Sanierung des Klosterwirt-Gebäudes und des denkmalgeschützten Stadels in Verbindung bringe, 'um eine Klage wegen Kopplungsverdacht zu provozieren'.

Als sich die Diskussion mit gegenseitigen Vorwürfen zusehends hochschaukelte, gab Stöppel dem Bürgermeister die alleinige Schuld an der verfahrenen Situation. 'Wenn sie sich aufführen wie ein kleiner Napoleon, und nicht einsehen wollen, dass ihr Weg nicht zum Ziel führt, dann sollten wir aufhören', sagte der Bürgermeister-Stellvertreter. Er beantragte ein Ende der Debatte. Die Vertagung wurde mit zehn gegen sieben Stimmen beschlossen. Wann es weiter geht, ist offen. Und es ist zu bezweifeln, dass sich zur nächsten Sitzung wieder so viele Bürger einfinden, nachdem einige missmutig feststellten, keiner der mittlerweile 'berühmten Schauvorstellungen des Grafrather Gemeinderates' mehr beiwohnen zu wollen.


(SZ vom 12.06.2013)